Im Gegensatz zu ihren männlichen Altersgenossen entscheiden sich junge Frauen selten für einen Job in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft oder Technik – den MINT-Berufen. Um das zu ändern, fordert der DGB mehr Einsatz für Frauen in MINT-Berufen.
MINT-Berufe haben eine starke Zukunft. Ein Studium oder eine Ausbildung in diesen Berufsfeldern eröffnet in der Regel eine gute berufliche Perspektive. MINT-Berufe sind daher ein interessantes Berufsfeld für junge Menschen. Doch dies gilt nicht für Frauen und Männer gleichermaßen. Im Gegensatz zu ihren männlichen Altersgenossen entscheiden sich junge Frauen vergleichsweise seltener für einen MINT-Beruf. Zahlreiche Initiativen für junge Frauen in Form von Infoveranstaltungen, Studienberatungen, Girls Days, Projekttagen und so weiter – die Liste ist lang – sollen dies ändern und haben sich daher zum Ziel gemacht, mehr junge Frauen für einen MINT-Beruf zu begeistern.
DGB/Simone M. Neumann
Ausgehend von diesen vielen Anstrengungen stellen sich folgende Fragen: Wie hat sich der weibliche Fachkräftenachwuchs in den MINT-Berufen in den vergangenen Jahren entwickelt, und wie sieht die derzeitige Situation auf dem MINT-Arbeitsmarkt aus? Sind alle MINT-Berufe bei beiden Geschlechtern gleich nachgefragt, oder gibt es auch hier Differenzierungen? Welche Signale werden vom Arbeitsmarkt an junge Frauen gesendet? Wo läuft es gut, wo gibt es hingegen Handlungsbedarfe? Folgende Kurzanalyse gibt zu diesen Fragen einen Überblick.
Vor dem Hintergrund des hohen Fachkräftebedarfs in einzelnen MINT-Bereichen, der Beschäftigungsentwicklung sowie des anstehenden altersbedingten Ausstiegs der geburtenstarken Jahrgänge in diesem Bereich, hat die Entwicklung der Studierendenzahlen in diesen Fächern eine hohe Bedeutung. Die Entwicklung in den MINT-Studiengängen verlief in den letzten Jahren positiv. Es ist ein Trend zu mehr MINT-Studierenden zu verzeichnen, insbesondere bei Frauen. Lag der Frauenanteil in 1993 noch bei 25,2 Prozent, ist er inzwischen auf 30,8 Prozent gestiegen. Verschiedene Gründe tragen zu der positiven Entwicklung bei: Zahlreiche Kampagnen informieren über die relativ guten Zukunftsperspektiven sowie über abwechslungsreiche Aufgabenfelder mit vielfältigen Herausforderungen. Der allgemeine Trend zur Höherqualifizierung geht mit einem steigenden Anteil an Studienberechtigten einher, und die doppelten Abiturjahrgänge sowie der Wegfall der Wehrpflicht führen noch bis 2013 zu merklich mehr Studienanfängern und -Anfängerinnen.
Quelle: Statistisches Bundesamt (Eigene Darstellung)
*Die Umstellung auf das Bachelor-/Mastersystem nimmt Einfluss auf die Vergleichbarkeit der Entwicklung, da ein/e Student/in zu Beginn des Masterstudiengangs wieder im ersten Fachsemester gezählt wird. Die Aussagen bezüglich der Veränderungstendenzen bleiben davon aber unberührt.
Zwar ist der Frauenanteil in den MINT-Studiengängen in den letzten Jahren gestiegen, aber er liegt – je nach Studiengang – auf deutlich unterschiedlichem Niveau. Wie bei der Berufswahl insgesamt, kommt es auch innerhalb der MINT-Studiengänge zu einer geschlechtsspezifischen Wahl. Frauen wählen eher einen Studiengang aus der Fächergruppe Mathematik und Naturwissenschaften (Frauenanteil 2012: 38,7 % = 58.115 Frauen) und nehmen hingegen seltener ein ingenieurwissenschaftliches Studium auf (Frauenanteil 2012: 23 % = 35.716 Frauen). Innerhalb der Fächergruppen gibt es weitere Unterschiede:
DGB
Insgesamt liegt die Auszubildendenquote der Betriebe inzwischen bei nur noch 5 Prozent. Im Bereich der MINT-Berufe liegt diese Quote derzeit bei 8 Prozent. Auf jede betriebliche MINT-Ausbildungsstelle kamen rechnerisch 1,14 Bewerber und Bewerberinnen. Addiert man die außerbetrieblichen Ausbildungsstellen hinzu, lag die Relation bei 1,09 (vgl. BA 2014, S. 20ff.). Der Ausbildungsmarkt ist im MINT-Bereich zwar etwas entspannter als in anderen Bereichen, aber er hat sich im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert!
Quelle: Bundesagentur für Arbeit 2014, S. 22
Die wesentlichen Metall- und Elektroberufe verzeichneten 2013 im Vergleich zu 2012 einen Rückgang an Ausbildungsverträgen von 5,5 Prozent (vgl. IGM 2013, S. 6). Die Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit verzeichnete zum 30.06.2013 in den MINT-Berufen über alle Ausbildungsjahrgänge hinweg rund 415.000 Auszubildende (Nicht berücksichtigt sind Ausbildungsgänge, die ausschließlich schulisch stattfinden). Obwohl derzeit relativ viele im MINT-Bereich ausgebildet werden, sind nur zwölf Prozent der Auszubildenden weiblich (vgl. BA 2014, S. 20f.). Der Grund dafür, dass nur wenige junge Frauen zu den MINT-Auszubildenden zählen, besteht vor allem darin, dass neun von zehn Ausbildungen in MINT-Berufen im technischen Bereich angesiedelt sind. Ähnlich wie bei den MINT-Studierenden gibt es auch bei den Auszubildenden die gleichen geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Ausbildungswahl innerhalb der MINT-Berufe.
Von den 366.200 jungen Männern in einer MINT-Ausbildung gehen 91 Prozent einer Ausbildung im technischen Bereich nach. Von den insgesamt 48.800 weiblichen Auszubildenden gehen im Vergleich zu den männlichen Auszubildenden weniger einer technischen Ausbildung nach. Bei ihnen spielen – betrachtet man die Ausbildungsrichtungen nach Anteilen, mathematische und naturwissenschaftliche Ausbildungen eine größere Rolle, wie mit der folgenden Graphik veranschaulicht wird.
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2014, S. 21
In den schulischen Ausbildungsgängen* waren im Schuljahr 2011/2012 rund 42.800 Schüler und Schülerinnen zu finden, die eine MINT-Ausbildung machten. Der Frauenanteil lag hier bei rund einem Drittel (vgl. BA 2014, S. 22).
*Hierunter werden Berufe zusammengefasst, die in Berufsfachschulen erlernt werden können und die nicht nach dem Berufsbildungsgesetz bzw. der Handwerkordnung anerkannt werden. Vor allem die Assistenzberufe, wie bspw. die Biologisch-technische Assistenz, zählen dazu.
Im Jahr 2012 wurde beim akademischen Nachwuchs jede dritte bestandene MINT-Prüfung von einer Frau abgelegt. Der Anteil ist in den letzten Jahren gestiegen. In 1993 wurde nur jede fünfte bestandene Prüfung von einer Frau absolviert (vgl. BA 2014, S. 16). Geschlechterunabhängig gilt für den akademischen MINT-Nachwuchs: Damit MINT-Studierende auch erfolgreiche Abschlussprüfungen ablegen können und in den Arbeitsmarkt einmünden, ist es notwendig durch verbesserte Studienbedingungen die hohe Zahl der Studienabbrüche in den MINT-Fächern zu senken: In 2010 beendete fast die Hälfte (48 %) der Bachelorstudierenden an den Universitäten ihr Ingenieurstudium nicht und 39 Prozent beendeten ihr naturwissenschaftliches Studium nicht (vgl. HEUBLEIN, RICHTER, SCHMERLZER, SOMMER 2012, S. 16f.). An den Fachhochschulen lag die Misserfolgsquote in den beiden Fächergruppen jeweils bei 30 Prozent, so die Ergebnisse aus einer Studie der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) (vgl. ebd., S. 2).
Auch begonnene Ausbildungsverhältnisse* werden nicht immer erfolgreich abgeschlossen. Zwar fällt im Vergleich zu der Zahl der Studienabbrüche die Zahl der Vertragslösungsquoten mit 24,4 Prozent moderat aus, insbesondere weil zu berücksichtigen ist, dass ein Großteil der Auszubildenden mit gelöstem Vertrag die duale Ausbildung noch in anderen Betrieben fortsetzt. Dennoch sind darunter auch Abbrüche, und diese stellen für viele junge Menschen und Betriebe oftmals ein Problem dar. MINT-Berufe weisen relativ niedrige Vertragslösungsquoten** auf. Einige MINT-Berufe haben sogar die niedrigsten Vertragslösungsquoten.
*Die Studienabbruchquote von Studierenden deutscher Hochschulen, die den Anteil der deutschen Studienanfänger und -Anfängerinnen angibt, die überhaupt kein Studium abschließen, liegt für den Absolventenjahrgang 2010 für Diplomstudiengänge bei 23 Prozent und für Bachelorstudiengänge bei 28 Prozent (vgl. HEUBLEIN, RICHTER, SCHMERLZER, SOMMER 2012, S. 1).
**Die Vertragslösungsquote kann als Näherungswert für den Anteil der gelösten Ausbildungsverträge an den im Berichtsjahr begonnenen Ausbildungsverträgen interpretiert werden. Sie ist jedoch keinesfalls mit einem endgültigen Ausbildungsabbruch gleichzusetzen. Eine Sonderauswertung der BIBB-Übergangsstudie 2011 kam zu dem Ergebnis, dass schätzungsweise 12 Prozent der Auszubildenden ihre erste duale Berufsausbildung innerhalb von 36 Monaten ohne einen Abschluss beenden (vgl. BIBB 2013).
Mit Blick auf weibliche Auszubildende zeigt sich: Im Gesamtdurchschnitt gilt für das Berichtsjahr 2011, dass die Lösungsquote der mit Frauen abgeschlossenen Ausbildungsverträge mit durchschnittlich 24,9 Prozent insgesamt etwas höher ausfällt als die der Männer (24,1 %). Auffallend ist dabei, dass die Lösungsquoten der Frauen in jenen Zuständigkeitsbereichen besonders hoch ausfallen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind (vgl. BIBB 2013).
Dennoch bieten MINT-Ausbildungen für junge Frauen gute Chancen. Die Wahrscheinlichkeit im Anschluss an die Ausbildung vom eigenen Ausbildungsbetrieb übernommen zu werden, ist in männerdominierten Betrieben – unabhängig vom Geschlecht – mit 73 Prozent am höchsten. Die Übernahmequote von jungen Frauen in männerdominierten Berufen ist mit 79 Prozent sogar noch höher als die Übernahmequote junger Männer (vgl. IAB 2013, S. 51).
Von einem generellen Fachkräftemangel in den MINT-Berufen kann zwar nicht gesprochen werden, dennoch gibt es in einzelnen, insbesondere technischen Berufsfeldern einen hohen Fachkräftebedarf. Trotz Wirtschaftskrise hat sich die Zahl der sozialversicherungspflichtigen MINT-Beschäftigten in den letzten Jahren positiv entwickelt, besonders Frauen haben von dieser Entwicklung profitiert.
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2014, S. 8
Das Risiko von MINT-Beschäftigten arbeitslos zu werden ist niedrig, wenngleich es aktuell zu einem An-stieg der Arbeitslosigkeit auf niedrigem Niveau kommt. Dabei ist die Zahl arbeitsloser MINT-Frauen 2013 im Vergleich zu 2007 deutlich stärker gesunken, als die Zahl arbeitsloser MINT-Männer (vgl. BA 2014, S. 11).
Insgesamt erhöht sich die Zahl junger MINT-Frauen auf dem Arbeitsmarkt, wenn auch stockend. Der Anteil an Frauen in den jüngeren Beschäftigtengruppen (unter 35 Jahre) in MINT-Berufen ist um ein Prozentpunkt höher als der Frauenanteil in diesen Berufen insgesamt. Für die Frage, wie sich der Frauenanteil perspektivisch entwickelt, bietet dieser Wert eine Orientierung. Fällt der Anteil weiblicher Beschäftigter bei den Jüngeren höher aus, ist davon auszugehen, dass sich der Frauenanteil insgesamt perspektivisch erhöhen wird. Mit 15 Prozent ist dieser Wert jedoch immer noch niedrig. Zum Vergleich: Insgesamt liegt der Frauenanteil bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten bei über 46 Prozent (gleicher Stichtag: 30.06.2013).
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2014, S. 7
Bei einer differenzierten Betrachtung fallen besonders zwei Werte auf:
Wenn im technischen nicht-akademischen Bereich keine Weichen gestellt werden, ist in den kommenden Jahren in diesen Berufsfeldern nicht mit einem steigenden Frauenanteil zu rechnen. Damit es gelingt, mehr junge Frauen für insbesondere auch (Informations-)technische MINT-Berufe zu gewinnen, sind drei wichtige Ansatzpunkte konsequent zu verfolgen:
Mehr zu Frauen in MINT-Berufen – Weibliche Fachkräfte im Spannungsfeld Familie, Beruf und beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten finden Sie hier...
BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT (Hrsg.) (2014): Arbeitsmarktberichterstattung: Der Arbeitsmarkt in Deutschland: MINT-Berufe. Nürnberg
BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG (BIBB) (Hrsg.) (2013): Internetversion des BIBB-Datenreports zum Berufsbildungsbericht 2013. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Bonn, http://datenreport.bibb.de/html/5762.htm
INSTITUT FÜR ARBEITSMARKT- UND BERUFSFORSCHUNG (Hrsg.) (2013): Beschäftigungsmuster von Frauen und Männern. Auswertungen des IAB-Betriebspanels 2012. Nürnberg
IG METALL (Hrsg.) (2014): Ausbildungssituation 2013. Eine Analyse der IG Metall. Frankfurt, http://www.igmetall.de/SID-5AD5572E-2D4DFFA3/internet/docs_2013_Ausbildungsbilanz_IG_Metall_4f2339f7c84cb11117600db380 908ea18bed0603.pdf
HEUBLEIN, RICHTER, SCHMELZER, SOMMER (2012): Die Entwicklung der Schwund- und Studienabbruchquoten an den deutschen Hochschulen. Statistische Berechnungen auf der Basis des Absolventenjahrgangs 2010. HIS-Forum Hochschule 3/2012. Hannover
HILLER, RENN (2013): Was können wir von Schweden lernen? Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 09.06.2013, Auflage 948003, Seite C 10
STATISTISCHES BUNDESAMT: Studierende an Hochschulen. Fachserie 11. Reihe 4.1, https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/BildungForschungKultur/ThemaBildungForschungKultur.html